Montag, Juni 14, 2004

Wider dem tierischen Ernst

Kann man lernen, Fußball zu mögen? Betrachtet man einige der bisherigen Posts, möchte man es fast bezweifeln - offensichtich benötigt man eine gehörige Portion Leidenschaft. Und die kann man bekanntlich nicht lernen. Allerdings kann man sich alternativ ein gewisses Maß an Spannung erkaufen. Und das geht eigentlich ganz einfach: Man sollte einfach eine Wette abschließen. Schon erscheint jedes Spiel spannend und der Ausgang ist im schlechtesten Fall eine persönliche Beleidigung. Gestern habe ich mich tatsächlich dabei ertappt, jeden vefügbaren Menschen in meiner Umgebung nach Fußballergenissen zu befragen. Und das, obwohl ich auf einer durchaus erquicklichen Party war. Noch erschreckender war, das ich mich tatasächlich persönlich beleidigt fühlte, als Griechenland gewann, obwohl ich doch auf Portugal getippt hatte - wie konnten sie mir das antun? Schließlich war Griechenland noch nie - zumindest mir nicht - durch irgendein fussballerisches Talent aufgefallen. Mussten sie das denn ausgerechnet jetzt finden und ausleben?
Allerdings kann auch ein viel einfacherer Mechanismus der Leidenschaft etwas auf die Sprünge helfen: Fußballer anhimmeln. Ich gebe zu, dass man dies eher außerhalb der Spiele auf Hochglanzfotos tun sollte, aber an diesen herrscht ja während der EM kein Mangel. Der Stern bietet wie immer eine mit dem altbekannten unterschwelligen Sexismus gewürztem Abstimmung über den schönsten Fußballer der EM an. Leider sind Fußballer - vielleicht mit Ausnahme von Pop-Ikone David Beckham - nicht zwingend fotogen. Aber für ein bisschen Muskel-Fetischismus reicht es noch.
Die dritte, und wahrscheinlich dem intellektuell-ironischem Ton dieses Blogs am ehesten entsprechende Art fehlender Leidenschaft auf die Sprünge zu helfen, ist die ethnologische Beobachtung meiner Freunde und Bekannten: Während Polen, Norwegen und die Türkei sich eher zurückhalten und peinlich berührt sind, ist Spanien völlig desinteressiert, bis sie es nicht mindestens in Halbfinale geschafft haben. Frankreich flaggt fleißig aus allen Fenstern, ist aber ansonsten doch eher an Rugby interessiert. Selig ist die Volksseele,die auch noch auf andere Sportarten für den nationalen Stolz bauen kann. Interessant ist, dass sich das Gerücht, dass Deutschland gleichbedeutend mit Fußballtalent ist, hartnäckig bei allen hält. Da kann man auch sagen was man will, zumindest für "eine Überraschung" sind sie immer noch gut - und in diesem Sinne hat mir die "Nationalelf" mit ihrem 1:1 dann auch keinen Gefallen getan. Da war sie, "die Überraschung", sie hatten es mir doch gleich gesagt. Allerdings hat mich das Unentschieden auch vor tagelangem Spott der anderen "großen" Fußballnationen wie Norwegen und Türkei bewahrt.
Was meiner erkauften Fußballleidenschaft allerdings immer noch abträglich ist, ist die Länge des Spieles: Wieso muss das alles 90 Minuten dauern? Kann man nicht das Feld verkleinern und es verkürzen? Dann muss ich bei so langweiligen Spielen wie Deutschland-Holland nicht mehr so lange warten, bis alles vorbei ist...keiner von euch kann sich vorstellen, wie langweilig es sein kann, 90 Minuten lang einem französischen Kommentar zu lauschen, den man nur halb versteht. Und der ausdauernd von Balacké, Sweinstéigér und Wringsé schwadroniert.