Montag, August 02, 2004

Verfassungsänderung a la Schily

So hatte sich Cap-Anamur-Chef Elias Bierdel die Diskussion, die er anstoßen wollte, wohl nicht vorgestellt. Mit den neuen Vorschlägen von Innenminister Otto Schily gehen dem Asylrecht in Deutschland langsam die Lichter aus. In seinem jüngsten Interview mit der SZ verschanzt sich Schily zwar hinter dem Euphemismus "Aufnahmeeinrichtungen", womit EU-finanzierte Flüchtlingslager in Nordafrika gemeint sind. Ansonsten lassen seine Ausführungen aber kaum an Klarheit zu wünschen übrig:

"SZ: Aber unser Recht hat diese Fakten geschaffen. Flüchtlinge, die Asyl haben wollen und es auch wirklich bräuchten, haben überhaupt keine Möglichkeit mehr, es zu beantragen – weil wir den Weg nach Deutschland faktisch und juristisch verbauen. Das Recht schneidet also auch den schutzbedürftigen Flüchtlingen den Weg ab, auf dass sie nicht Asyl beantragen können.
Schily: Sie sehen das offenbar als kritikwürdigen Zustand. Dann müssten Sie in der Konsequenz auch fordern, jeder, der einen Asylhintergrund hat, müsse die Möglichkeit erhalten, visumfrei nach Deutschland oder in anderes EU-Land zu kommen, um dort Asyl zu beantragen. Es kämen dann vermutlich Millionen Menschen, die allesamt behaupten, sie seien asylberechtigt.
(...)
SZ: Wo bleibt bei einer nach Afrika vorgelagerten Flüchtlingsbehörde das deutsche Grundrecht?
Schily: Das spielt gar keine Rolle.
SZ: Wenn es der Flüchtling aber geltend machen möchte?
Schily: Der Flüchtling ist nicht in Deutschland. Er ist außerhalb der Grenzen Europas. Das hat mit Artikel 16a Grundgesetz gar nichts zu tun."

Es geht um nichts anderes als die Exterritorialisierung eines Grundrechts. Unter dem Vorwand humanistischer Besorgnis (den Flüchtlingen soll es unmöglich gemacht werden, sich mit der Mittelmeerüberquerung selbst zu gefährden) wird den Asylsuchenden die Möglichkeit eines ordentlichen Verfahrens nach deutschem Recht von vorneherein genommen. Nach der skandalösen Einschränkung des Asylrechts von 1992 ist dies der nächste Schritt zur de facto-Abschaffung von Art. 16a GG. Da es bei Fragen wie dieser in Deutschland keine wirksame politische Opposition mehr zu geben scheint, bleibt nur die Hoffnung auf das Desinteresse der nordafrikanischen Staaten .
Italien hat übrigens bereits ein Auffanglager für Otto Schily bereitgestellt. In der Toskana, für ihn ganz allein. Vielleicht möchte ja auch Brigitte Zypries mitkommen. Dann gäbe es wenigstens jemanden, der Schilys Vorschlägen lauscht.

toskana
Auffanglager für Otto Schily in der Toskana. Die Dame rechts ist der Verleger Klaus Wagenbach. (Quelle: Toskanafraktion )