Ein Loch ist im Eimer
Der Sturm spuckte über die aufgewühlte See und stellte die Wellen senkrecht. Auf dem Meer der Kürzungen und des Sozialabbaus schwappte das Wasser wütend hin und her. In mitten des brausenden Volkszorns schickte sich ein Schiff an, all jene aufzusammeln, die Schiffbruch erlitten hatten, die betroffen sind oder sich für betroffen hielten oder einfach lange kein NGO-Land mehr gesehen hatten. Die Arche mit dem singenden Namen „Wahlalternative“ trohnte auf den Wogen der Aufmerksamkeit und sonnte sich im Lichte der Hoffnung von zehntausenden im Osten und immerhin einiger hundert im Westen. Kalfatert war der Rumpf mit Hartz IV einem Mehrkomponenten-Leim aus Wolfsburg. Das musste reichen. Denn Pech und Teer der linken Bewegung sind längst aus; es fehlte die einigende Kraft der anderen Idee.
Das Schiff hatte viele Steuermänner, wenige Frauen, ein paar Lotsen und wohl einige blinde Passagiere, denen nach völliger Kürzung ihrer Bezüge keine Wahl blieb. Das Oskar Lafontaine direkt aus Leipzig auf die eigene Sendung ging, ist das eine. Das die parteipolitischen Schlepper, die sich der Arche bemächtigen wollten längst ausgelaufen waren, das andere. Da wundert es niemanden, dass in der PDS die Flügel in heller Aufregung sind. Sieben Prozent wollen bundesweit PDS wählen. Allerdings nur, wenn am Sonntag Wahl ist. Der Wahlalternative trauen die Parteienforscher sogar 20 zu. Es rauscht im Wald der Demoskopen, die ihre Stämme bald hierhin und bald dorthin neigen; der PDS sagten sie einst auch ein Potential jenseits der 20 Prozent voraus. Was also tun? Rauf aufs Schiff? Rette sich wer kann? Sollen die doch kommen; die werden schon sehen? Nein, her mit dem Steuer, wir machen das! Wahrscheinlich werden diese Fragen noch die innerparteiliche Debatte prägen, wenn das Schiff längst zerschellt und abgesoffen ist. Das kollektive Gedächtnis der BRD ist kurz und klein. Viel hat ohnehin nie reingepasst, und auch Hartz IV wird wohl draussen warten müssen. Diese Montagsdemos haben keinen Staat zum Einsturz gebracht, noch haben sie das Antlitz dieser Republik nachhaltig verändert. Schon am nächsten Montag werden ver.di und attac nicht mehr zu Montagsdemos aufrufen; gestern kamen in Leipzig bescheidene 1500 Menschen zusammen, um gegen die allgemeine Lage zu protestieren. Und dann? Dort wo die PDS-Granden immer mit angeekelten Blick auf die Alternativen gezeigt haben und riefen „Wo sind denn eure Konzepte?“, da gibt die Partei des demoskopischen Sozialismus selbst das Stück „Was ihr wollt!“.
In Brandenburg an der Regierungsbeteiligung vorbei geschrammt, wird man das Gefühl nicht los, dass die PDS auch gar nicht wollte. Nach den Erfahrungen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern wollte die Parteiführung nur ungern ein weiteres Mal den Beweis antreten, das die PDS in der Regierung kaum durch neue und andere Ideen der Politikgestaltung auffällt. Dort wo sie mitregiert, kämpft sie mit den gleichen Skandalen wie die Großen und mit den gleichen Problemen, wenn es darauf ankommt, Antworten auf die Fragen zu finden, die überall gleich klingen: Was machen angesichts leerer Kassen? Was tun, um das sozialistische Profil zu schärfen? Wie die Verhältnisse ändern?
Diese Fragen einem Funktionär gestellt, sorgen für einen ursozialdemokratischen Reflex bei den Sozialisten; es gebe eben einen Unterschied, wenn die Regierungsverantwortung drückt, in der Praxis sei eben nicht alles so einfach und den Realitäten müsse sich die Partei nun auch stellen. Man sei, so heißt es, in der Verantwortung. Das ist lästig und schon deshalb ist aus einer Koalition in Brandenburg nichts geworden. Schon im Vorfeld hatte die Partei dafür gesorgt, die eigenen Forderungen in solche Höhen zu schrauben, dass kaum ein SPD-Vertreter darüber auch nur Sekunden nachdenken brauchte. Die Rücknahme von Hartz IV auf dem Wege einer Bundesratsinitative zum Beispiel. Eine Forderung ohne die die PDS sich auf keiner Montagsdemo hätte blicken lassen dürfen. Zu Gunsten der Demos also keine Regierungsbeteiligung.
Gut so, möchte man denken, da stellt jemand die Inhalte über die Macht. Wer´s glaubt. Da wird allerhöchstens die Angst über das Ergebnis gestellt. Der Versuch darüber der SPD den schwarzen Peter zuzuschieben ist übrigens gründlich in die Hose gegangen. Und so steht die Partei mit 28 Prozent da und wird sich die nächsten Jahren die Frage gefallen lassen müssen, warum sie es nicht besser gekonnt hat.
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